Dranbleiben zahlt sich aus. So könnte man das berufliche Schicksal zusammenfassen, das den beiden österreichischen Investigativjournalisten Sebastian Reinhart (News) und Rainer Fleckl (Kronen Zeitung) widerfahren ist. Schon lange befassen sie sich mit den Untiefen des Signa-Konzerns von René Benko – und zwar nicht erst, seit das Konstrukt infolge seines spektakulären Kollaps in aller Munde ist. Fleckl und Reinhart nahmen sich vielmehr schon Jahre zuvor der Signa an, damals noch für die inzwischen eingestellte Mateschitz-Plattform Addendum. Damals galt Benko noch als geschäftliches Wunderkind; auf jeden journalistischen Vorstoß in sein Reich folgte mindestens eine Klagsdrohung.

Benko ließ eruieren, wie man das Redaktionsstatut der
Benko ließ eruieren, wie man das Redaktionsstatut der "Kronen Zeitung" aufweichen könnte.
Lukas Friesenbichler, DER STANDARD

Nun legen die Journalisten ein Buch vor: Inside Signa. Es gelingt, was in einer derart komplexen Causa durchaus herausfordernd ist: eine konsistente Erzählung zu bieten, die dennoch an den richtigen Stellen ins Detail geht und selbst für Kenner Neues bietet.

Feier am See

Das beginnt bei der pompösen Vierzigerfeier des vormaligen Magnaten Benko in der luxuriösen Villa Ansaldi am Gardasee im Sommer 2017, bei der der Sänger Xavier Naidoo auftrat und Sebastian Kurz (ÖVP) als Ehrengast zugegen war, damals noch als Außenminister. Die Rechnung für die Geburtstagsparty betrug mehr als eine halbe Million Euro – und sie wurde von der Signa statt von Benko persönlich beglichen. Es ist eine typische Praxis im Benko-Reich, in dem sich die privaten Belange des Gründers und jene der Signa auf völlig intransparente Weise mischten. (Wie DER STANDARD im November 2023 berichtete, zahlte die Signa übrigens auch die Miete und alle anderen Kosten für ebendiese Villa Ansaldi, obwohl sie allem Anschein nach Benko als privates Domizil diente.)

Interessante Einblicke tun sich auch beim Medienverständnis von Benko auf. Äußerst restriktiv versuchten der Signa-Gründer und seine Getreuen stets jede ernsthafte journalistische Auseinandersetzung mit dem Konzern zu unterdrücken – während geneigte Berichterstattung, etwa Lob zu Bauprojekten, mit großzügigen Inseratenschaltungen belohnt wurde. Benko trieb damit eine Praxis auf die Spitze, wie sie sich im Verhältnis zwischen Journalisten und Großkonzernen zwar immer wieder findet, aber wohl kaum je in dieser extremen Ausprägung.

Lehren aus der Frühzeit

Die Autoren führen Benkos Zugang zu Medien unter anderem auf Erfahrungen in seiner frühen Karriere zurück. Einst hatte er als Finanzberater beim hochumstrittenen deutschen Finanzdienstleister AWD begonnen – und später den medialen Sturm erlebt, der über den AWD-Gründer Carsten Maschmeyer hereingebrochen war. Noch viele Jahre später sollte sich Benko ein Buch bestellen, in dem Maschmeyer als Opfer einer Medienkampagne dargestellt wird. Fleckl und Reinhart fassen Benkos Lehre aus der Causa Maschmeyer mit dem Satz zusammen: "Wer die Storys kontrolliert, braucht die Wahrheit nicht fürchten."

Überhaupt sind es – neben der Geburtstagsfeier – die Ausführungen zu Medien, die tief blicken lassen. Die Kauf eines Teils der Kronen Zeitung etwa über einen Einstieg bei der darüberliegenden deutschen Funke-Gruppe im Jahr 2018 diente laut offizieller damaliger Signa-Darstellung dem Zweck, "einer der führenden Multichannel-Anbieter in ganz Europa zu werden". Tatsächlich ließ Benko gleich nach dem Einstieg im Geheimen eruieren, wie man das Redaktionsstatut der Boulevardzeitung aufweichen – und demnach als Teileigentümer auf inhaltlicher Ebene durchregieren – könnte. Der Plan scheiterte hochkant; bald schon sollte sich die Krone zur wildesten Kritikerin von Benko entwickeln.

E-Mails und Honorarnoten

Die Details in Inside Signa führen hinein in eine Welt, in deren Kern geschätzt höchstens 15 Personen in allen wichtigen Angelegenheiten das Sagen hatten. Selbst superreiche Signa-Großinvestoren wie der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und der deutsche Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne scheiterten daran, mit Widerspruch mehr Transparenz zu bewirken und Informationen zu erlangen. Primärzitate in dem Buch, etwa aus Mails und Honorarnoten, ergänzen und verdichten das Gesamtbild. Zu den eindrücklichsten zählen die seitenlang wiedergegebenen E-Mails zwischen Kühne und Benko im Jahr vor dem Kollaps. Derartige Primärquellen führen den Geist von Benko und seiner hochbezahlten Clique vor Augen, die das Konstrukt zuerst aufbliesen und dann zum Platzen brachten.

Die Folge all dessen ist heute die größte Pleite der heimischen Wirtschaftsgeschichte mit unzähligen Geschädigten. Wer sich dafür interessiert, wie es zum Desaster kommen konnte, wie verhängnisvoll sich oberflächlicher Genieglauben auswirkt genauso wie die enge Verbandelung von Politik, Wirtschaft und Medien, der sollte dieses Buch nicht auslassen. (Joseph Gepp, 3.5.2024)