Indischer Rotfeuerfisch
Ein Indischer Rotfeuerfisch im Israel Aquarium in Jerusalem. Im Mittelmeer vor Israel hat diese invasive Fischart dazu beigetragen, dass in bestimmten Meerestiefen rund 95 Prozent der dort noch vor kurzem ansässigen Arten bereits verschwanden.
AFP/RONALDO SCHEMIDT

Eigentlich lebt der Indische Rotfeuerfisch – nomen est omen – im Indischen Ozean und im Roten Meer. Doch irgendwann schafften es Vertreter des rotbraun-weiß gestreiften Raubfischs mit den spektakulären Flossenstrahlen, den Suezkanal zu überwinden und ins Mittelmeer vorzudringen. 1992 wurde dann das erste Exemplar vor Israel gesichtet. Damals bestand noch Hoffnung, dass es sich um einen Einzelfall handeln könnte.

Doch diese Hoffnungen sollte sich bald zerschlagen: Der etwa 40 Zentimeter lange Fisch breitete sich immer weiter im Mittelmeer aus, und vor ein paar Jahren wurden erste Bilder eines Indischen Rotfeuerfischs (Pterois miles) sogar in der Adria vor Kroatien aufgenommen. Für Fachleute stellt diese Invasion eine Katastrophe dar, und zwar nicht wegen des starken Gifts in den stacheligen Rückenflossen, das in seltenen Fällen zu Atemstillstand führen kann. Denn Rotfeuerfische flüchten im Normalfall vor Tauchern, und es kommt nur selten zu schmerzhaften Begegnungen mit Menschen.

Doch Zusammentreffen mit der lokalen Fauna enden für diese meist letal: Die Folgen der Invasion für die mediterrane Biodiversität sind entsprechend verheerend, wie eine neue Studie bestätigt, die ein Team um den aus Österreich stammenden Verhaltensökologen Alexander Kotrschal (Universität Wageningen) im Fachblatt Neobiota veröffentlicht hat. Rotfeuerfische gelten nicht umsonst als die erfolgreichsten invasiven Fische in marinen Ökosystemen und sind in der Lage, die lokalen Fischgemeinschaften und die biologische Vielfalt in von ihnen durchdrungenen Gebieten drastisch zu beeinträchtigen.

Der Schrecken der Karibik

Der Indische Rotfeuerfisch ist denn auch nicht die einzige Art von Pterois, die als Bioinvasor höchst unangenehm auffällt. Schon einige Jahre früher – nämlich seit den frühen 1990er-Jahren – machte sich der Pazifische Rotfeuerfisch, der eigentlich im Pazifischen Ozean zwischen Malaysia und Japan beheimatet ist, in der Karibik breit. Vermutlich sind die ersten Exemplare irgendwo an der nordamerikanischen Ostküste ausgesetzt worden. Das hatte katastrophale Folgen für die ursprünglichen Riffbewohner der Karibik, die dramatisch zurückgedrängt wurden.

Ähnliches ist für das Mittelmeer zu befürchten, und hier steht in Sachen Artenvielfelt besonders viel auf dem Spiel: Als größtes geschlossenes Meer der Erde ist es ein einzigartiges Ökosystem, in dem mehr als 11.000 Tierarten leben, von denen einige nirgendwo sonst auf der Welt zu finden sind. Es gibt aber noch eine weitere Besonderheit: Das Mittelmeer gehört zu den Meeren, die sich aufgrund des Klimawandels besonders schnell erwärmen – was die Ausbreitung des wärmeliebenden Raubfischs begünstigte.

Große Biodiversitätsverluste

Laut einer Studie im Fachjournal Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, die bereits vor drei Jahren erschien, verschwanden vor der Küste Israels in bestimmten Wassertiefen bereits bis zu 95 Prozent der dort bis vor kurzem heimischen Arten. Gleichzeitig rücken dort tropische Meeresbewohner wie eben der Indische Rotfeuerfisch in großer Zahl nach. Wie Kotrschal und sein Team zeigen, hat sich die invasive Art nicht nur im östlichen Mittelmeer etabliert; sie wird nun auch in kälteren Gewässern beobachtet, die bisher als ungeeignet für diese Art galten.

Indischer Rotfeuerfisch Adria
Dieser Indische Rotfeuerfisch wurde in der Bucht von Kotor in Montenegro gefangen. Jetzt lebt er in einem Aquarium des dortigen Instituts für Meeresbiologie.
REUTERS/Stevo Vasiljevic

Sichtungen gab es 2023 auch vor den Küsten Siziliens, Kretas, Maltas oder Sardiniens. In den Worten Kotrschals: "Nach jahrelangem Studium dieser Raubfische finde ich es erstaunlich, wie leicht sie sich an so viele verschiedene Umgebungen anpassen und in Gebieten erfolgreich sein können, die sich so sehr von denen unterscheiden, in denen sie entstanden sind."

Wo auch immer sie ihr Unwesen treiben: Als generalistische Raubfische beeinträchtigen Rotfeuerfische Ökosysteme erheblich, da sie in großem Umfang einheimische Fische fressen, darunter auch endemische Arten von hohem Erhaltungswert. Da sie an Rotfeuerfische nicht gewöhnt sind, fliehen die einheimischen Beutetierarten in der Regel nicht vor diesem neuen Räuber. Für den Verhaltensökologen Kotrschal ist es "immer wieder beeindruckend zu sehen, wie ein so auffälliges und für uns auffälliges Raubtier sich seiner Beute unbemerkt nähern kann".

Wohlschmeckender Speisefisch

Die Studie seines Teams unterstreicht auch die entscheidende Rolle von Citizen-Science-Initiativen bei der Meldung und Verfolgung von Rotfeuerfisch-Sichtungen, die wertvolle Daten zur Unterstützung laufender Forschungsbemühungen liefern. Eine solche Beteiligung der Bevölkerung sei für ein besseres Verständnis der Invasionsdynamik und die Entwicklung wirksamer Bekämpfungsmaßnahmen unerlässlich. Diese sind nicht so ganz einfach.

Erwachsene Rotfeuerfische haben kaum natürliche Feinde; Tintenfische jedoch dürften dem Feuerfisch-Nachwuchs erfolgreich nachstellen. Bleibt die Hoffnung auf den Menschen als Jäger. Ohne Rückenflossen ist der Rotfeuerfisch nicht nur nicht giftig, sondern auch sehr schmackhaft. In der Karibik und in Florida wird er längst in Fischrestaurants angeboten – und gerne gegessen. Das kann auch Alexander Kotrschal bestätigen, der ein Experiment vor Kreta laufen hat, wo Rotfeuerfische harpuniert werden, damit sie keine Riffe plündern. "Die landen alle auf dem Grill", teilt Kotrschal mit, "und schmecken etwa wie wild gefangener Wolfsbarsch." (tasch, 25.4.2024)